Rede und Fotos vom Jubiläum 5 Jahre OMAS GEGEN RECHTS

Monika Salzer

Jubiläum 5 Jahre OMAS GEGEN RECHTS, 16.12.2022

Wien Hofburg


Sehr geehrter Herr Bundespräsident!

Sehr geehrte Frau Mag.a Schmidauer!

Sehr geehrte Ehrengäste!

Liebe OMAS! 

Ich danke Ihnen, liebe Frau Mag.a Schmidauer, sehr sehr herzlich, dass Sie uns, die Gruppe der OMAS GEGEN RECHTS, für ihren zivilgesellschaftlichen, öffentlichen, engagierten Protest auch auf höchster Ebene durch diesen Empfang in der Hofburg auszeichnen.

Wir stehen seit zwei Jahren ja auch vor Ihren Toren, gegenüber vor dem Bundeskanzleramt, um auf die unteilbaren Menschenrechte und die Flüchtlingspolitik Österreichs aufmerksam zu machen. Nach wie vor sind wir sehr beunruhigt, dass Österreich bzw. die Österreichische Bundesregierung keine stimmige, durchdachte, politisch aufrechte Lösung für diese Fragen der Migration findet.

Die Gründung der OMAS vor 5 Jahren hatte kassandrisches Ausmaß, doch das, was wir voraussahen, hat sich täglich zu einer noch größeren Katastrophe entwickelt. Heute stehen wir vor den Scherben einer fragilen  Nachkriegsarchitektur und der Krieg tobt in Europa.

Das Wort von Natascha Strobl, dass der „Faschismus die größte politische Bedrohung der Gegenwart“ sei, hat sich immer mehr bewahrheitet. Wir alle haben die Auswirkungen des zweiten Weltkriegs miterlebt, wir wuchsen mit trausmatisierten Eltern und Großeltern auf und wurden selbst von deren Erlebnissen traumatisiert. Einige haben die Shoah als Familienauslöschung, als extreme existentielle Bedrohung erlebt, die bis heute nachwirkt und uns auch Impuls ist, das Kämpfen nicht aufzugeben. Was wäre passiert, wenn dem Diktator Hitler schon früher Einhalt geboten worden wäre? Das denken wir heute.

Unsere Demokratien sind in Gefahr, viele Staaten scheinen in eine Inhumanität abzudriften, in eine Kälte und Gefühllosigkeit den Armen, den Schwachen und den Flüchtenden gegenüber. Wie sollen wir es sonst verstehen, wenn in ganz Österreich die Länder nicht bereit sind ihre Vereinbarungen mit dem Bund bezüglich der Quartiere für Asylwerbende zu halten? Wenn sogar Anfnag Dezember die SPÖ, die ÖVP, die FPÖ und die KPÖ gemeinsam ein Transparent halten: „NEIN, NICHT MIT UNS! Wir sind gegen eine Massenunterkunft für Asylwerbende in Kindberg.“ Es wäre ihnen ja unbenommen geblieben, die Quote zu erfüllen, auf andere Weise und früher. Aus Traiskirchen und von anderen Orten wie zb Spielfeld hören wir, wie das reiche Österreich auf die Rechtsextremen schaut wie das Kaninchen auf die Schlange, und nicht merkt, wie diese Schritt um Schritt den Diskurs verschieben.

Schon unser erster öffentlicher Auftritt am 18. Dezember 2017 in Wien, am Tag der Regierungsangelobung der Regierung Kurz/Strache, zeigte uns ganz deutlich, für wen wir kämpfen. Es war eine Demonstration am Heldenplatz, ausgerufen von der Österreichischen Hochschülerschaft und anderen Organisationen, und wir waren acht OMAS.

Es waren die Hauben, die Buttons und ein kleines Schild, das auf uns aufmerksam machte, und die Jugend tanzte mit uns, als wir das Lied „OMAS, OMAS, uns braucht das ganze Land. Wir kämpfen für die Kinder und machen Widerstand“ anstimmten und sangen.

Es war die Jugend, die uns schon an diesem Tag einen Empfang bereitete. Seitdem sind fünf Jahre vergangen, in denen wir bei vielen Seminararbeiten Patinnen waren, für Interviews Rede und Antwort standen, uns für Generationengespräche begeisterten, neben den vielen Demonstrationen wie die Donnerstag-Demos, den Mahnwachen und anderer Auftritte für Menschenrechte und unsere Demokratie. Wir schafften es, den Stereotypen über ältere Frauen zu entkommen, buken keinen Apfelstrudel, machten es uns nicht im Lehnsessel bequem, sondern gingen auf die Straße.

Fabienne, 17 Jahre, schreibt:

 „Es hat mich sehr gefreut, Euch kennen zu lernen und vor allem, was hinter OMAS GEGEN RECHTS überhaupt steckt und bedeutet. Hinter Eurem Namen steckt so viel mehr als Omas, die protestieren. Die Energie, die Ihr uns nähergebracht habt und mit welchem Herz Ihr Euch für UNSERE Zukunft einsetzt, hat mich beeindruckt und berührt: „Wir kämpfen für unsere Kinder und Enkelkinder und für Euch alle!“ Ich überlegte und überlegte, welche Wahrnehmung ich von älteren Menschen habe, was meine Oma und Opa für mich machen und was die ältere Gesellschaft überhaupt für unsere Zukunft macht. Da habe ich festgestellt, wie unheimlich dankbar ich für meine Großeltern bin, weil sie immer zu mir stehen und mich auch unterstützen…

Jeder Gedanke, sei es meiner oder meiner Bekannten, an die Rente ist verbunden mit zur Ruhe kommen und sein restliches Leben auf dieser Welt zu genießen. Ihr jedoch seid das beste Beispiel, dass das Alter egal ist für eine Zukunft zu sorgen. Im Alter hört die Verantwortung nicht auf, sie geht immer weiter. Aber dies soll uns keine Angst machen, denn Angst ist der größte Feind für Erfolg, für das Leben. Hinterfragen, Nachfragen, Kämpfen, Hinhören, Weiterbilden, Engagieren. Und so viel mehr nehme ich für meinen weiteren Lebensweg mit. In Momenten wie diesen, wenn die Weltprobleme sich wieder so schwer und bedrückend anfühlen, und das Zweifeln beginnt, erinnere ich mich an Eure Worte und an Euch als Beispiel für zwei sehr inspirierende, starke, engagierte, gebildete Frauen in dieser verrückten Welt! Ich folge Euch auf Instagram ab jetzt, so werde ich hoffentlich immer mal wieder was von „Omas gegen rechts“ hören. Macht weiter so, wir brauchen Euch für eine Zukunft. DANKE!“

Es ist bis heute erstaunlich, wie beherzt, kräftig und ausdauernd dieser Protest älterer, ja alter Frauen, die weder Wind, Regen Hitze noch Kälte scheuen, am Ballhausplatz, aber auch auf der Ringstrasse und der Mariahilferstraße, in Oberösterreich und Salzburg, im Burgenland und der Steiermark stattfindet. In den einzelnen Bundesländern haben sich die Schwerpunkte ausdifferenziert, sind vielfältig geworden, lebendig.

Wenn nicht ein Mann aus dem rechtsextremen Milieu unseren zweiten öffentlichen Auftritt – es war der sogenannte „Neujahrsempfang“ der neugewählten Regierung  durch die Gewerkschaft und andere politische und zivilgesellschaftliche Organisationen am 15. Jänner 2018 – mit dem Kommentar versehen hätte, dass wir vor lauter Feminismus nie stricken gelernt hätten und außerdem nicht mehr nützlich für die Gesellschaft wären, hätten sich in Deutschland erst später Nachfolgerinnen-Gruppen gebildet.

Aber der Pressebericht informierte diese und so übernahmen OMAS GEGEN RECHTS in Deutschland im Süden und im Norden schon im Februar 2018 unsere Idee, unser Logo, unser politisches Bekenntnis. Diese Gruppen sind enorm gewachsen und der politische Widerstand in der Zivilgesellschaft sehr bekannt. Wir haben als OMAS Anerkennungspreise in Deutschland erhalten, die deutschen OMAS heuer den vom Zentralrat der Juden in Deutschland übergebenen Paul-Spiegel-Preis für zivilgesellschaftliches Engagement.

Ältere Frauen, die einen Protest in der Öffentlichkeit organisierten, waren in der Geschichte des 20. Jahrhunderts Opfer in Zusammenhang mit schrecklichen Kriegen. Die Mütter der Plaza de Mayo in Argentinien begannen ab 1977 ihre Söhne und Töchter, die das Militärregime verschleppt oder getötet hatte, wiederzufinden. Die Müttern von Srebrenica, die für die Verfolgung der verantwortlichen Mörder und gegen das Vergessen des Völkermords in Bosnien 1995 eintraten, die Frauen in Schwarz aus Belgrad, die seit 1991 Mahnwachen gegen die militaristische und nationalistische Politik des serbischen Regimes hielten, zeigten die bewundernswerte Kraft von Protesten älterer Frauen auf. 

Was war und ist unser politisches Bekenntnis? Wir hatten das Glück, am Ende des zweiten Weltkriegs oder nach dem Krieg aufzuwachsen. Unsere Generation hatte die größten Bildungschancen, die jemals eine Generation vor uns hatte. Wir überblicken fünf Generationen und verstehen uns als Brücke.

Auf keinen Fall wollten und wollen wir parteipolitisch agieren, obwohl einige von uns auch politische Funktionen haben. Als OMAS wahren wir eine Äquidistanz zu allen Parteien, denn es geht uns um das Ganze, den Kampf gegen Rechtsextreme und deren Agenda, in Österreich und Europa.

Ich gründete die OMAS GEGEN RECHTS als Facebookgruppe mit einem Text und dem Foto meiner Urgroßmutter, beliebte Hebamme im 10. Wiener Gemeindebezirk, einen Text also, wofür wir stehen, und dieser Text schloss mit den Worten ab, die bis heute unsere Aktionen leiten:

ALT SEIN HEISST NICHT STUMM SEIN.

Das Altersbashing der Rechten in den sozialen Medien ließ nicht lange auf sich warten, doch gab uns das nur noch mehr Ansporn. Die internationale Presse fand unsere Aktionen sehr interessant und bewundernswert, wir schafften es bis in die New York Times. Von Spanien bis Frankreich, von Israel bis Norwegen, von Italien bis zur BBC wurde über die „Grannies against the Right“ berichtet.

Einige meinten zu Beginn, sie möchten nicht gegen etwas sein und OMAS hätte eine abwertende Bedeutung. FRAUEN FÜR DEN FRIEDEN wäre doch besser. Für die meisten 60- bis 80-Jährigen Frauen aber war das Kämpfen älterer und alter Frauen gegen bedrohliche Angriffe auf unsere Demokratie stimmig, waren wir doch auch schon in den 70er-Jahren demonstrieren.

Ich bin persönlich sehr gerührt, dass meine kleine Idee ein solches Echo auslöste und wir gemeinsam bis heute gezeigt haben, dass auch die ältere Generation Verantwortung für die Jugend trägt.

Frauen der ersten Stunden waren Susanne Scholl, Michaela Moser, Caroline Koczan, Jenny Simanowitz und Fanya Palikruschewa, um nur einige zu nennen.

Der Expertise von Susanne Scholl ist es zu danken, dass wir immer einen internen Kompass für politische Auseinandersetzungen hatten. Sie schrieb 2019: „Wir sind die Generation, die eine Zukunft hatte. Jetzt sehen wir, wie mit der Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder Vabanque gespielt wird.“ Sie war es auch, die mit uns gemeinsam zur Mahnwache für Moria und dann für die Flüchtlingslager am Rande Europas vor zwei Jahren aufrief.

Wie sind alt und können nicht mehr vor Ort aktiv sein, aber unser Herz geht mit allen, die sich für die Rechtlosen, Hilflosen, Verzweifelten mit einem großen Engagement einsetzen wie Doro Blancke in Lesbos und Pero Rosandic auf der Balkanroute und Organisationen wie Diakonie und Caritas und viele andere.

Wir sind auf der richtigen Seite. Wenn das nur auch vielfach die Politik erkennen würde. Unsere Geschichte, nach wie vor geprägt durch die Kriege der 20. Jahrhunderts, erinnert uns täglich daran, wo Unmenschlichkeit endet und wie der Tod verwaltet werden kann.

Wir möchten einen kleinen Beitrag zur Wertschätzung der Menschenrechte und der Diskursfähigkeit in einer Demokratie leisten, das ist alles.

Ich schließe mit zwei Gedichten. Das eine ist von der Kärntner Schriftstellerin Christine Lavant:

Angst, leg dich schlafen,

Hoffnung, zieh dich an,
du musst mit mir gehen,
schnür die Schuhe fester.
Ich hielt dich lang verborgen,
kleine Schwester,
schön bist du geworden,
und ich freu mich daran.


Und das andere von Amanda Gorman:

„Denn es gibt immer Licht,

wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen,

wenn wir nur mutig genug sind, es zu sein.“