Kinderrechte auch für Flüchtlingskinder

Das Statement beleuchtet einen Aspekt der Kinderechte, mit denen sich die OGR Steiermark befassen. Weitere Seiten des Themas werden in einer Reihe verschiedener Formate behandelt, einem Film (Kinderrechte – Grundrecht oder Luxus?, https://youtu.be/pscrzAn43ro)

und Diskussionsveranstaltungen (Banditenkinder – Kinderrechte heute) , die im Sommer 2021 geplant sind.

Wir erleben aktuell, wie Kinder, die in Österreich aufgewachsen sind, abgeschoben werden.  Flüchtlingskinder, die unter katastrophalen Umständen leiden, werden nicht ins Land hereingelassen. Und wir erleben, dass Flüchtlingskinder verschwinden. Es ist eine erschreckende Tatsache, dass EU-weit 10 000 Kinderflüchtlinge bei Interpol als vermisst gemeldet sind.  

Unser Beitrag gilt diesen Kindern.

Kinder auf der Flucht, doch nie in Österreich angekommen

Ich sehe einen Buben vor mir, Karim, 14 Jahre. Nach monatelanger Flucht, unter größten Gefahren von Verfolgung und Gewalt, ist er in Österreich in einem Erstaufnahmezentrum angekommen.

 Ist er jetzt in Sicherheit?

2020 war er einer von 1300 unbegleiteten Kindern, die Österreich erreichten. 2019 waren es 900 Kindern,

Fast die Hälfte der unbegleitet geflüchteten  Kinder verschwinden in Österreich.

Auch seine Spur verliert sich, der amtliche letzte Vermerk: „Transitreisender“…

Wie kann dieser Missstand möglich sein?

Die Kinder werden in der Anfangsphase weitgehend allein gelassen, bekommen nicht die adäquate Betreuung.

Während in anderen EU Ländern vom ersten Tag an den Kindern und Jugendlichen pädagogische Betreuung, Dolmetscher und Rechtsbeistand gewährt werden, landen in Österreich die Kinder ab dem 14.Lebensjahr in der Grundversorgung des Bundes. Sie werden behandelt wie Erwachsene. Das bedeutet: minimaler Tagsatz, Wachpersonal ohne pädagogische Qualifikation, keine, bestenfalls minimale juristische, medizinische und sozialpädagogische Standards.

Verantwortlich: Herr Innenminister Nehammer. Die zunehmend härtere Asylpolitik unserer Regierung hat zu verantworten, dass Kinder, auf sich allein gestellt, den prekären Situationen der Ungewissheit im Asylverfahren viel zu lange ausgesetzt bleiben.  

Erst wenn die Kinder unter den Bundesländern aufgeteilt werden, werden die Jugendämter für sie zuständig. Auch dann ist das Betreuungsangebot sehr unterschiedlich, die Tagsätze sind niedriger als die für österreichische Kinder. 

Zurück zu Karim: 

Karim ist in der Nacht von der Polizei aufgegriffen und ins Erstaufnahmezentrum gebracht worden, ohne Dolmetscher, ohne Information, er versteht nur: „Fingerabdruck…kapiert?“  Er wird einer fremden Person, einer  „Remunerationsmutter“  zugeteilt, (Remunerationsmütter bedeutet: ebenfalls geflüchtete Personen im Camp schauen für Taschengeld auf diese Kinder.) Niemand fragt ihn: „Was brauchst du? Wohin willst du?“ Niemand sagt: „Ich bin für dich da“. Er ist allein mit der Angst wieder abgeschoben zu werden, den Alpträumen und Schlafstörungen, den Gefahren  von sexuellen Übergriffen, von Betrügern und deren kriminellen Hintermännern. Die Unerträglichkeit der Ungewissheit steigt, für Karim bleibt nur eins: weiterflüchten, untertauchen, als „Transitreisender“.

Er bekam nicht den Schutz, den ein Kind braucht. 

Wo bleiben da die Kinderrechte?

Seit 10 Jahren sind doch die grundlegenden Rechte der Kinder in der Verfassung verankert! 

Artikel 2, Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern

(2) Jedes Kind, das dauernd oder vorübergehend aus seinem familiären Umfeld herausgelöst ist, hat Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.

Das ist hier nicht gegeben. Warum nicht?  

Der Artikel 7 beinhaltet einen Gesetzesvorbehalt, der zulässige Beschränkungen von Kinderrechten ermöglicht: 

Die Kinderrechte sind der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung untergeordnet. Das öffnet einen weiten Interpretationsspielraum. Die Rechte der Kinder werden abgeschwächt, ja sogar außer Kraft gesetzt, wie wir miterleben müssen.  

Wir alle sind gefordert, da hinzuschauen, wo strukturelle Defizite das Leben von Kindern gefährden, und die Kinderrechte missachtet werden. 

Denn dem ursprünglichen Regelwerk der Kinderrechtskonvention gebührt Respekt und Achtung. 

Ihr Ursprung reicht zurück zum Ende des 2. Weltkriegs, zur Gründung der UNO, und basiert auf der Deklaration der Menschenrechte. 

196 Staaten haben die Kinderrechtskonvention  unterzeichnet,  

Artikel 22, UN-Kinderrechtskonvention

(1) Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein Kind, das die Rechtsstellung eines Flüchtlings begehrt (…) angemessenen Schutz und humanitäre Hilfe bei der Wahrnehmung der Rechte erhält.

(2) Zu diesem Zweck wirken die Vertragsstaaten bei allen Bemühungen mit, um ein solches Kind zu schützen, um ihm zu helfen und um die Eltern oder andere Familienangehörige ausfindig zu machen. Gelingt dies nicht, so ist dem Kind derselbe Schutz zu gewähren wie jedem anderen Kind, das aus irgendeinem Grund aus seiner familiären Umgebung herausgelöst ist. 

Doch die Not der Kinder in den Flüchtlingslagern an den Rändern Europas spricht eine andere Sprache. Und: Jedes Kind, das in Österreich registriert wird und verschwindet, ist zu viel. 

Lost in migration darf nicht sein. 

Irmgard Fritz-Trappel, OMAS GEGEN RECHTS STEIERMAK, Wochenende für Moria, Freiheitsplatz Graz,20.Februar 2021