„Ich schäme mich, eine Österreicherin zu sein“
Brief von Isabella Amadori an Innenminister Gerhard Karner

Sehr geehrter Herr Minister Mag. Karner!

Ich habe Sie im ORF sagen gehört: „Wir (gemeint Österreich) wollen keine Menschen aus Afghanistan mehr aufnehmen, denn wir haben statistisch gesehen schon die zweitgrößte afghanische Community im Land, und haben somit bereits genug getan…“

Ich möchte Sie auffordern, zu sagen: „ICH will keine Menschen aus Afghanistan aufnehmen.“

Denn auch ich als einfache Bürgerin gehöre zu Österreich und ich verbitte mir, dass Sie in dieser Angelegenheit in meinem Namen sprechen. 

Ich möchte NICHT Bürgerin eines Landes sein, das sich weigert, an den (ohnehin schmalen) Solidaritätsbekundungen der EU teilzunehmen, um wenigstens einigen wenigen der am meisten an Leib und Leben gefährdeten Personen – v.a. Frauen und Kindern – ein Entkommen aus dieser Hölle zu ermöglichen.

Weihnachten steht vor der Tür: Weihnachten ist die Geschichte von Josef und der hochschwangeren Maria, die kurz vor der Geburt ihres Kindes an jeder Tür anklopften, und überall abgewiesen wurden… Welch Parallele zu den schutzbedürftigen Flüchtlingen, die aus höchster Not ihre Heimat Afghanistan verlassen müssen! 

Die türkisen jungen Herren, die bis dato die Regierung leiteten, hatten längst die ursprünglich einmal christlich-menschliche Grundhaltung der Volkspartei abgelegt. Ihr einziges Ziel war Macht um jeden Preis, diese Haltung ist ihnen nun zum Fallstrick geworden…

Ich habe mir bei der Neuaufstellung der Regierung ohnehin wenig erwartet in Hinblick auf eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen Werte der ÖVP. Leider muss ich nach Ihren ersten Wortmeldungen einsehen, dass ich mit dieser Einschätzung völlig richtig lag…

In der Pandemie fordert der neue Bundeskanzler von uns BürgerInnen Solidarität und das Aufeinander-Zugehen ein. Das Gemeinsame soll in den Vordergrund gestellt werden. Ich bin damit vollkommen einverstanden. 

Für mich betrifft dies aber nicht nur Corona, sondern auch viele andere Bereiche, diese Haltung ist in allen Lebensbereichen anzustreben, auch gesellschaftspolitisch, und natürlich auch im Verhalten gegenüber den Bedürftigsten in der Weltgemeinschaft – Menschen, die aus Krieg, Hunger und höchster Not fliehen….

Es ist doch völlig absurd, dass sich das reiche Österreich nicht leisten kann, einige weitere tausend Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Die Zivilgesellschaft hat längst dafür die nötigen Mittel und Plätze bereit gestellt… 

Doch Sie verordnen von oben herab Unmenschlichkeit, und Sie hebeln dadurch nebenbei die Genfer Flüchtlingskonvention sowie die Menschenrechtskonvention aus! 

Auch wenn wir nicht alle Schutzbedürftigen aufnehmen können, so ist doch Statistik in diesem Zusammenhang völlig uninteressant und irrelevant. Wie heißt es so schön und so wahr: „Wer einen einzigen Menschen rettet, der rettet die ganze Welt.“ 

Ihre Argumentation, mit Härte dem Schlepper-Unwesen entgegenzutreten, ist schlichtweg falsch. Sämtliche ExpertInnen für Migration sind sich einig, dass man gerade dann legale Möglichkeiten für Flucht schaffen muss, wenn man den Schleppern das Handwerk legen will. Abschotten, Grenzen dicht machen und den Kopf in den Sand stecken, bewirkt keine Abnahme von Schlepperei… 

Sie verweigern sich nun der Solidaritätsbekundung der EU, dies zeigt Ihr wahres Gesicht. 

Dass Österreich hier dank Ihnen und dank dem neuen Bundeskanzler Nehammer innerhalb von Europa im Abseits steht, und sich in einer Reihe mit den Visigrad-Staaten präsentiert, um Härte und Unmenschlichkeit zu demonstrieren, finde ich zutiefst abstoßend! 

Ich schäme mich, eine Österreicherin zu sein!

Mit freundlichen Grüßen

Isabella Amadori

P.S. Kopie dieses Briefes ergeht an den Bundespräsidenten, mit der Bitte an ihn, weiterhin betreff einer Haltungsänderung beim Flüchtlingsthema auf die Regierung einzuwirken.